Herr Gruber bekommt Hilfe

Eine weihnächtliche Geschichte zum Vorlesen


Der Laden von Herrn Gruber liegt in einer schmalen Gasse, abseits der großen Geschäfte, abseits vom Weihnachtstrubel. Fast niemand findet den Laden, denn er ist wirklich versteckt, hat kein Schild mit leuchtenden Buchstaben, nur ein verstaubtes Schaufenster. Heuer sieht die Auslage noch trauriger aus als sonst. Früher kauften noch viele Menschen bei Herrn Gruber ein. Er verkaufte Anzüge, Hemden, Krawatten, Socken und Pullover. Jeder in der Stadt kannte das Geschäft, und auf die Frage, wo man denn den neuen Anzug gekauft hätte, lautete die Antwort immer: "Beim Gruber natürlich!"

Jetzt liegen im Schaufenster nur noch mehrere Paar graue, langweilige Socken, ein blaugestreiftes Hemd und ein weinroter Pullover. Vor der Ladentür steht Herr Gruber und sieht traurig die Gasse entlang. Die einzigen, die an seinem Geschäft vorbei kommen, sind die Töchter der Familie Nickmann. Sie wohnen mit ihren Eltern ein paar Häuser weiter. Auf dem Weg von der Schule nach Hause grüßen sie Herrn Gruber immer freundlich. Heute bleibt die siebenjährige Jenny vor Herrn Gruber stehen. "Herr Gruber, hast du geweint? Du siehst so traurig aus!" Martina, die ältere Schwester, sagt: "Entschuldigen Sie bitte, Herr Gruber!" Und zu ihrer kleinen Schwester meint sie: "Du darfst nicht einfach DU sagen. Und ausfragen ist unhöflich, komm, wir gehen weiter!"

Herr Gruber schüttelt den Kopf. "Nein, lass nur Martina, das ist schon in Ordnung. Ich bin traurig. Heute ist mein Laden zum letzten Mal geöffnet." Jenny sieht Herrn Gruber mit großen Augen an. "Und dann? Verkaufst du dann nichts mehr?" - "Ach Jenny", sagt Herr Gruber, "ich verkaufe ja schon lange nichts mehr. Niemand will das altmodische Zeug. Ich kann die Miete für den Laden nicht mehr bezahlen, nächste Woche muss ich raus. Und das alles so kurz vor Weihnachten."

"Aber das gibt's doch gar nicht!", ruft Jenny aus. "Meine Mama arbeitet im Kleiderladen 'Tolle Klamotte', und die sagt, die Leute kaufen vor Weihnachten wie blöd!" Herr Gruber lächelt. "Ja, das sind ja auch schicke Sachen, die deine Mama verkauft. Meine Ladenhüter will niemand. Dabei habe ich im Lager noch über tausend funkelnagelneue Krawatten. Die hat meine Schwiegertochter noch bestellt, bevor sie mit meinem Sohn nach Frankfurt gezogen ist. Das ist jetzt auch schon wieder so lange her ... Was soll ich denn mit so vielen Krawatten machen?"

Martina denkt angestrengt nach, während Jenny von einem Bein auf das andere hüpft. "Tausend Krawatten? Wie sehen die denn aus?", fragt Martina. Herr Gruber lächelt wieder. "Altmodisch natürlich. So wie alles in meinem Laden." - "Herr Gruber, darf ich vielleicht eine davon sehen? Und meiner Mama zeigen? Die kennt sich nämlich echt aus, und sie sagt auch, dass momentan alle ganz verrückt nach 'Retro' und 'Vintage' sind. Vielleicht sind Ihre Krawatten auch 'Retro'?"

Vier Tage später, am zweiten Adventssamstag. Im Laden von Herrn Gruber ist Hochbetrieb. Frau Nickmann hat ihren freien Samstag geopfert, das Schaufenster geputzt und neu dekoriert. Ihr Mann hat die schönsten, vermeintlich altmodischen Krawatten fotografiert und verteilt jetzt am nahe liegenden Weihnachtsmarkt Werbezettel mit Krawattenfotos. Auch bei 'Tolle Klamotte' sind Krawatten ausgestellt, dazu ein großes Schild, wo es die unschlagbar schicken Krawatten im Retrostil gibt. Im Laden von Herrn Gruber hilft Martina fleißig mit. Sogar Jenny hat eine Beschäftigung. Sie bindet eine Schleife um jede Schachtel, in der eine verkaufte Krawatte liegt. Herr Gruber strahlt. Er sieht zu Martina, die eifrig Krawatten auf dem Ladentisch auslegt, zu Frau Nickmann, die berät, verkauft und kassiert, und zu Jenny, die Schleifen bindet. "Ach, ist das ein schöner Advent! Und ein schönes Weihnachtsfest! Mit dem Geld, das die Krawatten einbringen, kann ich die Miete bezahlen!", sagt Herr Gruber, und in seinen Augen glitzert es verdächtig. "Ich glaube, das Christkind ist direkt zu mir ins Geschäft gekommen! Sogar gleich in dreifacher Ausführung!"

"Und nach Weihnachten legen wir richtig los, Herr Gruber!", sagt Frau Nickmann. "In Ihrem Lagerraum habe ich noch viel mehr Schätze entdeckt, wir machen aus Ihrem Geschäft die erste Adresse für Vintage-Klamotten! Und einen Namen für den neuen Trendshop habe ich auch schon. 'Natürlich beim Gruber'!"




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