Vom grünen Zweig ein Stück

Eine Weihnachtsgeschichte


Es ist schon viele Jahre her, als sich diese Geschichte in einem bitterkalten Winter zugetragen hatte. Damals gab es keine Computer und keine Handys. Die Menschen zündeten auf Ihren Weihnachtsbäumen noch richtige kleine Kerzen an und überall spendeten diese Kerzen zur Weihnachtszeit einen warmen goldenen Glanz. Aber nicht alle Familien konnten sich einen schönen bunten Weihnachtsbaum mit Kerzen, schimmernden Kugeln und allerlei Süßkram leisten.

Zu jener Zeit wohnte in einem Haus, weitab von der Stadt am Waldesrand ein kleiner Junge mit seinen Eltern in einer erbärmlichen Hütte. Jeden Abend beteten die Eltern zum Herrn im Himmel, er möge ihnen doch ein etwas besseres Leben schenken. Besonders zur Weihnachtszeit, wenn es draußen frostig kalt war und leise die Schneeflocken vom Himmel tanzten wurde dieser Wunsch immer besonders groß. Wie gern würden die drei sich nur einmal einen festlichen Weihnachtsbaum schmücken und das Fest der Geburt Jesu ohne die klirrende Kälte im kleinen Wohnzimmer feiern.

Eines Abends, der Christstern prangte besonders strahlend am schwarzen Nachthimmel, war es in der kleinen Hütte besonders kalt. Und so baten die Eltern ihren einzigen Sohn, er möge doch im nahen Wald ein paar Stück altes Bruchholz sammeln, damit man sich gemeinsam am kleinen Feuer wärmen könnte. Gehorsam kleidete sich der Knabe so gut es ging in seine alten Lumpen, stieg in die ausgetretenen Stiefel und begab sich fröstelnd in den dunklen Wald. Nur der Mondenschein erhellte den Weg ein wenig und ließ die Bäume wie große Schatten in den Himmel ragen. Schon nach kurzer Zeit hatte sich der Junge im tiefen Wald verlaufen. Zwar hätte er schon bald ein paar Stück Holz sammeln können, jedoch wollte er eigentlich ein besonders schönes Stück Holz mit nach Hause bringen. Mitten im Wald stand er nun ganz allein und die frostige Kälte zwickte und zwackte ihn überall. Wenn er jetzt wenigstens den richtigen Weg nach Hause fände, würde er schon bald wieder bei seinen Eltern sein. Verzweifelt hockte sich der Knabe in eine kleine geschützte Kuhle und versuchte sich ein wenig zu wärmen. Plötzlich schimmerte mitten durch die Bäume ein goldener Schein. Ebenso erschrocken wie neugierig fuhr der Junge hoch und sah in die Richtung, aus der das Licht kam. Dort auf einer kleinen Lichtung sah er einen alten Mann im roten Mantel mit einer Laterne stehen. Ein langer weißer Bart rauschte vom Gesicht des Väterchens bis fast auf den Bauch und auf dem Rücken trug der Alte einen riesigen braunen Sack. Ganz oben aus dem Sack lugte ein Stück Tannengrün hervor. War das der Weihnachtsmann von dem seine Eltern ihm jedes Jahr erzählten?

Der Knabe wusste nicht recht, ob er sich freuen oder fürchten solle. Noch ehe er sich selbst entscheiden konnte winkte ihm der Alte im roten Mantel zu sich. Zögernd, Schritt für Schritt ging der Knabe auf den Alten zu. Als er ganz dicht vor ihm stand, wurde ihm die Größe des Fremden gewahr. Er musste wohl so um die zwei Meter groß sein. Mit einem gütigen Lächeln drückte der Alte ihm den Tannenzweig aus dem Sack und eine kleine Kerze in die Hand. Dann wies er mit seiner großen Hand in eine Richtung und rief: "Lauf! Und fröhliche Weihnachten."

Aufgeregt, voller Angst und dennoch auch ein Stück froh über die unerwartete Begegnung lief der Knabe in die gewiesene Richtung. Den Tannenzweig und die Kerze hielt er fest in der Hand. Schon bald konnte er durch die Bäume die Umrisse der kleinen Hütte am Waldesrand sehen. Jetzt schlug sein Herz wieder höher und Frohmut überkam den Jungen. Kurz vor dem Häuschen stolperte er über einen starken Ast alten Holzes. Und gleich noch mehr davon lag dicht daneben. So hatte der Junge schon bald den ganzen Arm voller gutem Brennholz und kehrte freudig nach Hause zurück.

Die Eltern hatten sich schon Sorgen gemacht und waren nun doppelt erfreut über die Rückkehr des Sohnes. Schnell wurde ein wärmendes Feuer entzündet. Da fiel dem Knaben ein, dass er beim Holzsammeln etwas vergessen hatte. Geschwind stieg er noch einmal in die Stiefel und kam schon bald wieder mit dem Stück vom grünen Zweig und der kleinen Kerze zurück. In feierlicher Stimmung wurde die Kerze neben den grünen Zweig gestellt und angezündet. Jetzt hatte auch die arme Familie so etwas, wie einen kleinen Weihnachtsbaum.

Wenn ich heute die elektrische Lichterkette am Tannenbaum in meiner warmen Stube anzünde, denke ich noch gern daran zurück, wie das helle Licht der kleinen Kerze unsere Stube erhellte und die Herzen erwärmte. So muss wohl die wahre Weihnacht sein. Den alten Mann im roten Mantel habe ich übrigens nie wieder gesehen.



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Eine rührende Geschichte zur Weihnachtszeit - zum Ausdrucken und Vorlesen im Kreise der Familie an Heilig-Abend.